Kellinghusen – „What? – schon wieder „Muddy What?“, dachte ich, als ich die Ankündigung für das Konzert der aufstrebenden Bluesrockband bei „Pep“ las. Die waren doch erst da, und das nicht nur ein Mal. Für satte drei Auftritte nacheinander war das Modern Blues-Trio in Zeiten von Corona in Kellinghusen 2021 und 2022 zu Gast.
Das war ein bisschen Zufall, ein bisschen Kalkül und die Notwendigkeit, in schwierigen Zeiten eine Band zu präsentieren, die zuverlässig nach Kellinghusen kam und für ein bestimmtes Publikum einen gewissen Reiz ausübte.
Und nun schon wieder? Zum vierten Mal in zwei Jahren? Ist das nicht ein bisschen viel auf einmal? Sollte man nicht zwischen dem nächsten Auftritt wenigstens ein wenig Zeit lassen? Das fragten sich mit mir auch viele andere.
Andererseits konnte ich die Argumentation von Rainer Werdt, auf dessen Anregung die Band für „Pep“ gebucht wurde, auch nachvollziehen. „Sie liefen schon drei Mal sehr gut und hatten stabile, wenn nicht sogar steigende Besucherzahlen“, konstantierte er.
Und sie machen eine moderne, zeitgemäße Musik, und auch wenn sie nicht direkt aus der Gegend kommen, scheinen sie doch eine feste Fangemeinde auf sich zu vereinen, auf die sie und damit auch „PEP“ sich verlassen können.
So wurden sie nun wieder gebucht, aber es gab ein kleines und relativ spontan auftretendes Problem: Zwar konnten die Geschwister Fabian und Ina Spang an diesem Abend nach Kellinghusen kommen, aber ihr Schlagzeuger Michi Lang war leider verhindert, wie die Band und auch „PEP“ bedauerten.
Was tun? Das Konzert absagen? Keine Option für einen bereits angekündigten Gig, für den schon die Tickets verkauft waren. Also war Improvisation angesagt, und die legte die Band gemeinsam mit dem Veranstalter nun hin.
Aufgrund der „PEP“-Kontakte, die sich bis weit in die Region hinein erstrecken, wurde nämlich Ersatz am Schlagzeug gefunden. So konnten sich die Zuhörer auf eine einmalige und besondere Besetzung freuen: Neben den „Muddy What?“-Musikern Fabian Spang (Gesang, Gitarre) und Ina Spang (Gitarre, Mandoline) saß mit dem Itzeher Musiker Moritz Kruit, der nun in Kiel lebt, ein ortsbekannter Musiker an den Drums.
Der talentierte Multi-Instrumentalist und Singer/Songwriter ist seinerseits auch bereits ausgezeichnet: Er ist fünffacher Preisträger des „Deutschen Rock Pop Preises 2020“. Hauptsächlich mit seiner eigenen Band unterwegs, kann er schon große Bühnenerfahrung durch zahlreiche Liveauftritte aufweisen.
Auch fühlt sich Moritz Kruit, wie er selber sagt, gerne in den Bluesrock ein. „Der Blues deckt viele Facetten meines künstlerischen und musikalischen Schaffens ab“, konstatiert er. „Und das Schlagzeug war das Instrument, mit dem ich meine musikalische Laufbahn begonnen habe und mit dem ich auch das erste Mal auf der Bühne stand: mit sechs Jahren auf der Kieler Woche.“ Na, super! Beste Voraussetzungen also, dass er den vakanten Schlagzeugerposten bei „Muddy What?“ besetzen konnte.
Denn seit dem Beginn seiner Bühnenpräsenz in jungen Jahren saß er auch in diversen weiteren Formationen am Schlagzeug und hat unter anderem eine Tour durch Tschechien mit einer Bluesband absolviert. Er ist es auch gewohnt, sich in unbekanntes Songmaterial einzuarbeiten, wie er schildert. Auch seine eigenen Studio-Produktionen hat er selbst eingetrommelt.
Konnte er vorher zwar nicht an den „Muddy What?“-Proben teilnehmen, da die Band nicht ganz um die Ecke aus München kommt, so macht die moderne Technik einiges möglich – auch, dass ihm das Songmaterial per Internet übermittelt wurde und er zu Hause im Übungsraum selber die Drum-Parts dazu einproben konnte. „Das ging sehr gut“, wie er sich noch vor dem Konzert freute.
Anders, als angekündigt musste das Konzert dann auch noch an anderem Ort und zu neuer Zeit statt finden. Denn da die bis dato gewohnte Ulmenhofschule für diesen Abend nicht zur Verfügung stand, wurde der Gig kurzerhand ins Bürgerhaus Kellinghusen verlegt.
Statt um 20 Uhr fand er nun schon ab 19 Uhr statt, was auch wiederum einen besonderen Grund hatte. Denn auch an diesem Freitagabend wollte der Verein „Klappstuhlkultur Kellinghusen“ sein Open Air-Kino auf dem Oberen Marktplatz aufführen. Da lag es doch nahe, waren sich die Organisatoren beider Vereine einig, beides miteinander zu verbinden…
Um den Gästen von „Pep“ die Gelegenheit zu geben, nach dem Film kurz über den Marktplatz zu gehen und sich zu Filmbeginn vor die Leinwand zu setzen, zog man das „Pep“-Konzert um eine Stunde vor, damit ein direkter Anschluss daran möglich war. Und umgekehrt sollten auch die Open Air-Kino-Besucher die Gelegenheit erhalten, vor dem Film das Konzert zu besuchen.
So konnte der geneigte Blues-Fan also erst einmal das „Muddy What?“-Konzert genießen. Und er wusste zu schätzen, was er da hörte, denn die Formtion ist ein besonderes Projekt: Die Band, Gewinner der „German Blues Challenge 2021“, bietet junge Musiker mit weiblicher Leadgitarristin auf und schreibt ihre Songs auch noch selber. Nicht allgemeingültig in der heutigen, auf Erfolg getrimmten Zeit.
Ihren Bandnamen hat die Formation in Anlehnung an den großen Bluesmusiker Muddy Waters (1913 bis 1983) gewählt und versucht, den Blues mit einem gewissen Augenzwinkern durch einem Mix aus Tradition und Innovation in die heutige Zeit zu übertragen. Das gelingt ihr zuweilen recht gut, das Publikum jedenfalls ist jedes Mal begeistert.
Die Geschwister Fabian und Ina Spang gelten mit ihrem angestammten Trommler Michi Lang als Shooting Stars der Livemusikszene. Auf ihrer aktuellen „Spider Legs Tour 2023“ durch Schweden, Frankreich, Portugal und Deutschland machte sie nun mit ihrem erfrischenden New-Blues-Sound auch in Kellinghusen wieder von sich Reden.
Das klappte nun auch mit neuem Schlagzeuger. Mit ihren wabernden Delta-Sounds, mit funky Beats, filigranen Balladen und stampfendem Old School-Blues zeigte sich das neu zusammen gestellte Trio facettenreich und hier und da mit einem improvisierten dynamischen Leichtsinn.
Weniger mit Nervosität oder gar Lampenfieber als mit der Wärme im Saal hatte allerdings Moritz Kruit an den Drums zu kämpfen, wie er hinterher konstatierte. War es draußen dem ausgehenden Sommer gemäß schon ziemlich warm, so wurde es im Bürgerhaus geradezu tropisch. „Es war ziemlich voll und heiß im Saal“, musste der Teilzeit-Drummer schon früh an diesem Abend feststellen.
Einen Saal zu beheizen, ist man ja in norddeutschen Landen gewohnt, aber ihn zu kühlen, stellt bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen dies nötig ist, schon eine Herausforderung dar. So konnte man nur die Türen offen stehen lassen und auf Durchlüftung hoffen.
Auch erstaunlich für den Drummer: „Es war ganz schön voll, und das bei stehenden Zuhörern. Es blieben nur ganz kleine Lücken“, freute nicht nur er sich über die abermals gute Resonanz. Entsprechend der Fülle im Saal war auch die Stimmung super.
Aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit musste ein kleiner Soundcheck reichen. Das Set aus einem Querschnitt ihrer eigenen Songs hat die Band gut hinbekommen, war auch Moritz Kruit froh. „Ich weiß, wann welcher Teil kommt, und es war in sich alles stimmig.“ Die Band musste nach zwei Mal 45 Minuten plus Pause zu ihren insgesamt 16 Songs schlussendlich auch noch drei Zugaben spielen.
Die Zuhörer waren von Anfang an schnell dabei, viele haben sich gefreut, ihn am Schlagzeug zu sehen. Manche wussten noch gar nicht, dass er für den Abend diesen Part übernommen hatte. „Sie waren überrascht, dass das gar nicht so schlecht klang“, schilderte Moritz Kruit.
Neben ihren eigenen Titeln intonierte die Band auch ein paar Coversongs in eigener Version, etwa „Jumping Jack Flash“ von den Rolling Stones und in einer spontanen Zugabe „Look at a little sister“ von Stevie Vaughan. „Es hat riesen Spaß gemacht“, sagte Moritz Kruit, besonders als er am Ende von „Down by the river“ ein Solo gespielt hat, hat das die Leute gefreut – „… und mich natürlich auch!“
Nach ihrem mehr als eineinhalbstündigen Konzert war das Publikum wohl ebenso begeistert wie die Band, denn Ina Spang ließ im Anschluss per Facebookeintrag verkünden: „Danke, Kellinghusen! Unser Abend mit euch im Bürgerhaus war eine große Freude – wunderbar, dass ihr so zahlreich gekommen seid und ordentlich Stimmung gemacht habt.“
Und auch der Drummer bot genügend Grund zur Freude: „Moritz Kruit am Schlagzeug hat mit seinem Spiel alle verzückt“, sagte sie und schloss noch an: „Herzlichen Dank, dass Du dabei warst!“ Vor allem dass dies bereits ihre vierte Einladung beim „PEP“-Kulturverein war, nötigte selbst ihr als Musikerin Respekt ab. „Wir bedanken uns bei allen Vereinsmitgliedern, die sich so toll für die Live-Musik engagieren.“
So wurde dieser „Muddy What?“-Auftritt dann doch noch nicht nur zu einem Erfolg, sondern auch zu einem besonderen Konzert, das es in dieser Form wohl kein zweites Mal geben wird. (lh)