review – Julian Dawson

Kellinghusen – Oh, mal wieder Einzelkämpferzeit bei „PEP“, dachte ich, als ich sah, wen der Kulturverein als nächstes nach Kellinghusen bat. Da schau her: Nach Rock, Blues und Folk stand mit dem Engländer Julian Daswon nun einmal wieder ein Singer/Songwriter auf der Ulmenhofschulbühne.

Mit dem britischen Musiker war das ja nun ein echter Wetltembummler. In England geboren, in Südfrankreich lebend und überwiegend in Deutschland auftretend – europäischer kann man doch fast gar nicht sein. In Zeiten von Abgrenzung und Isolationsbestrebungen doch einmal wieder ein angenehmer Vertreter erfrischender Internationalität; ein Kosmopolit, nicht nur was seinen Aufenthaltsort angeht, auch was sein künstlerisches Werk betrifft. Musikalisch steht er seit mehr als 40 Jahren auf den Bühnen der Welt.

Dabei war sein aktueller Auftritt nun eher dem Zufall geschuldet. Zu Jahresanfang war der „PEP“-Vorsitzende Oliver Zantow zu Gast im „Schmidt’s Tivoli“ in Hamburg bei Wolfgang Niedeckens Bob-Dylan-Programm. Da tippte ihm ein alter Bekannter auf die Schulter: Aus dem Wiedersehen mit dem englischen Singer/Songwriter Julian Dawson bahnte sich der nächste Auftritt bei „PEP“ an.

Genau genommen war dies aber gar kein Ein-Mann-Konzert, sondern eher eines im Duett, denn Julian Dawson spielte sein Soloprogramm gemeinsam mit seinem Bassisten Fontaine Burnett. Da es auch für dieses Konzert keine Ankündigung in der Lokalzeitung gab, durfte man gespannt sein auf die Zahl der Besucher. Aber der Künstler scheint eine ausreichende Strahlkraft zu besitzen, so dass letztlich immer noch eine höhere zweistellige Gästezahl zu verzeichnen war.

Erstaunlich, fand am selben Abend doch auch das Achtelfinale bei der Heim-EM zwischen Deutschland und Dänemark statt, das Fußballdeutschland wohl eher vor die Fernseher und in die Public Viewing Areas gelockt hat (trotz eher durchwachsenen Wetters). Und auch die Kieler Woche hat hier wohl eher nicht für Besucherzulauf in Kellinghusen gesorgt.

So konnten der veranstaltende „PEP“-Verein sowie auch der Künstler des Abends sich schon von vornherein als Sieger betrachten. Und das kosteten das Publikum wie auch Julian Dawson den ganzen Auftritt über aus.

In einer „riesengroßen, tollen Stimung“, wie Oliver Zantow es umschrieb, begann der Künstler zunächst sanft mit A Capella-Gesang, den er dann mit seiner akustischen Gitarre erweiterte und schließlich auch noch seinen Bassisten Fontaine Burnett auf die Bühne holte. Zu zweit spielten sie dann sein erstes Set zu Ende.

Darin machte Dawson auch seine Drohung wahr, kein vorher festgelegtes Programm herunter zu spielen, sondern sich spontan zu entscheiden, welche Songs er zum Besten gibt und wie er das Programm gestaltet. Dazu erzählte er zu den meisten Songs auch noch eine kleine Geschichte und Anekdote.

Hier kam etwa heraus, dass er sich als Engländer, der in Südfrankreich lebt, als „Brexit Refugee“, „Brexit-Flüchtling“, sieht und in dieser Gemengelage auch seine Songs schreibt und teilweise auch seine Musik zu verstehen ist. In seinen gehaltvollen Texten zielt er immer wieder auf Miteinander und Mitmenschlichkeit, auf Toleranz und Verstehen ab – ganz anders als der Geist des Brexit es zum Ausdruck bringt, der ja eher auf Abgrenzung und Isolation begründet ist.

Nach der Pause im zweiten Set sagte sich Dawson anscheinend, was im ersten Set gut war, kann im zweiten nicht schlechter werden, und begann wieder wie im ersten mit A Capella-Gesang, den er dann wieder auf einen Auftritt zu zweit erweiterte.

Publikumszugewandt erzählte er auch hier wieder diverse Geschichten, halb auf Deutsch, aus dem er immer mal wieder ins Englische abglitt. Wo er gerade mal dabei war, vergaß er auch nicht zu erwähnen, dass sein 70. Geburtstag ja unmittelbar (in etwa einer Woche) bevorstehe, diese Marke aber noch nicht ganz erreicht sei.

So musste sich das „PEP“-Team hinterher mit einer „Nicht-Geburtstagstorte“ behelfen, die es ihm in der Gardeobe überreichte und entgegen aller Gepflogenheiten dann doch schon mal ein bisschen mit ihm „hinein“ feierte.

Anlässlich seines runden Jubiläums gibt Julian Dawson einen Tag (5. Juli) nach seinem Geburtstag (4. Juli) auch seine neue CD („Julian Dawson – 4th of July“) heraus, die er zuvor mit etlichen Freunden und Gastmusikern aufgenommen hatte. Dazu gibt es auch ein Geburtstagskonzert, das bei „PEP“ schon einmal eingeleitet wurde. In der Zwischenzeit kann sich der geneigte Fan aber auch mit einem „Best of“ aus zwei CD-Boxen schon einmal auf das neue Album einstimmen.

Ein außerplanmäßiges musikalisches Highlight gab es dann in der Ulmenhofschule aber doch noch: Gegen Ende des 2. Sets, als er gerade von einem Gospel überleitete zu einem anderen Spiritual, frönte er einmal mehr seiner Spontaneität – und holte zur Überraschung aller Oliver Zantow auf die Bühne.

Wie die Jungfrau…: Unvermittelt holte Singer/Songwriter Julian Dawson den „PEP“-Vorsitzenden Oliver Zantow (M.) auf die Bühne, der ihn bei „Amazing Grace“ auf dem Saxophon begleitete.

Von diesem hatte er nämlich vorher mitbekommen, dass er seit etwa eineinhalb Jahren das Saxophonspielen erlernt. Was lag da näher, als ihn einmal zu einer musikalischen Begleitung eines seiner Songs zu bitten? So durfte der „PEP“-Vorsitzende Julian Dawson zu „Amazing Grace“ begeleiten. „Das war so nicht geplant“, bemühte sich dieser halb erfolglos, sich zu entschuldigen.

Ursprünglich wollten sie ja lediglich zum Soundcheck ein Stück zusammen spielen, nun standen sie gemeinsam vor Publikum auf der Bühne. „Das war eine nette persönliche Idee, die sehr gut geklappt hat“, wie Oliver Zantow hinterher zumindest fand. Zum Beweis wurde ein Teil dessen auch auf kleinem Videomitschnitt für die Nachwelt festgehalten.

Nach etlichen weiteren Zugaben beendete Julian Dawson sein Konzert schließlich so, wie er es begonnen hatte: alleine auf der Bühne – aber nicht verlassen.

Ludger Hinz