Interview mit Julian Dawson, 26.06.2024:
„Ich will nicht auf der Bühne sterben, und auf der Autobahn im Stau zu stehen, ist auch nicht gerade spannend“
LH: Herr Dawson, sie spielen am Samstag nun schon zum wiederholten Male in Kellinghusen. Aber ihr eigentliches Jubiläum steht ja erst kurz danach an.
Julian Dawson, JD: Das stimmt: Am 4. Juli werde ich 70, und einen Tag später, am 5. Juli, kommt mein neues Album „Julian Dawson“ (4th of July) heraus. Damit habe ich ein Konzeptalbum mit vielen Freunden und Gästen produziert, manche Songs in Amerika aufgenommen, einige aber auch im Studio „Magic Mile“ in Hannover.
Zum ersten Mal ist darauf ein deutscher Song zu hören; für meine deutschen Freunde eine Coverversion von „Codo (…düse im Sauseschritt)“ von Anette Humpe, weil auch Wolfgang Niedecken, der Frontmann von „BAP“, und der Liedermacher Stefan Stoppok Gäste auf meinem Album waren.
LH: Wie wird denn ihr Auftritt in Kellinghusen aussehen?
JD: Ich stand schon einige Male hier auf der Bühne. Ich spiele gemeinsam mit meinem Bassisten Fontaine Burnett, der auch auf meinem Album zu hören ist.
LH: Sie waren ja schon öfter mal in Kellinghusen bei „Pep“. Welche Erinnerung haben Sie daran?
JD: Ich war einmal mit Sängerin Kathi MacDonald und Miller Anderson bei einem Festival gebucht. Es ist eine sehr schöne Location, und ich habe das Publikum als begeisterte Musikfans in Erinnerung. Außerdem ist es geografisch für meine Fans günstig gelegen: genau zwischen Kiel, Flensburg und Hamburg.
Julian Dawson hat nicht nur mehr als 250 Songs aufgenommen, er hat auch zwei Biografien geschrieben: über den Rock-Pianisten Nicky Hopkins und den Musiker Spencer Davis.
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LH: Wie sieht ihr Programm für Samstag dann aus?
JD: Ich spiele 90 Minuten plus Zugabe, also insgesamt bis zu zwei Stunden mit einer Pause zwischendrin. Ich habe jedoch kein festgelegtes Programm. In meiner Karriere habe ich bisher insgesamt etwa 250 Songs aufgenommen. Ich habe nur einen Plan für die ersten beiden Songs, ab dann ist es tagesabhängig und situationsbedingt, was ich spiele. Das entscheide ich spontan.
Zum Glück ist Fontaine so gut drin, dass er sie alle mitspielen kann. Das hat den Vorteil, dass ich mich selber nicht langweile. Immer dasselbe zu spielen, wäre für mich unvorstellbar. Ich spiele auch populärere Songs, die oft gewünscht werden, aber ein Konzert soll auch einmalig sein.
LH: Sie feiern jetzt ihren 70. Geburtstag. Was ist die Motivation, die Sie weiterhin auf Bühnen auftreten lässt?
JD: Es gibt in meinem Beruf keine Rente oder einen Rentenmoment wie in anderen Berufen. Ich gehe in Rente, wenn keiner mehr kommt. Ich habe aber eine treue Fangemeinde. Solange ich immer neue Impulse als Künstler erfahre, kann ich immer weiter machen. Ich will nicht auf der Bühne sterben, und auf der Autobahn im Stau zu stehen, ist auch nicht gerade spannend. Aber Konzerte erlebe ich nach wie vor als sehr inspirierend, denn ich liebe die Musik.
LH: Sie haben bereits 25 eigene Alben produziert. Behält man da überhaupt den Überblick?
JD: Jede Platte, die ich gemacht habe, stellt die Stufe einer Entwicklung dar. Die Platten waren mal akustisch und mal rockig. Ich habe in Amerika mit einigen meiner musikalischen Helden produziert. Es war für mich immer eine Art Ausflug, die eigene Stimme, einen Standpunkt und Haltung zum Ausdruck zu bringen. Ich habe viele phantastische Gäste gehabt. Seit mehr als 45 Jahren habe ich an keinem Arbeitstag dasselbe gemacht. So weiß ich schon, was wohin gehört und woher es kommt.
LH: Sie haben auch zwei Biografien über den Rock-Pianisten Nicky Hopkins und den Musiker Spencer Davis geschrieben – wie kam es dazu?
JD: Ich kannte den Studio- und Sessionsmusiker Nicky Hopkins sehr gut. Er hat mit den Größen des Rockbusiness gespielt von den „Rolling Stones“ über „The Who“ bis zu den „Kinks“. Schon mit 50 Jahren ist er in einfachen Verhältnissen gestorben. Er hat in einer Zweizimmerwohnung in Nashville gewohnt. Keiner würde etwas über ihn schreiben, weil es kein Geld bringen würde. Dafür, dass er so viel gemacht hat, fand ich, dass er ein Buch verdient hat.
Ich habe deshalb viele seiner Weggeährten interviewt – von Keith Richards bis Steve Miller. 13 Jahre habe ich daran gearbeitet. Als der Musiker Spencer Davis das Buch gelesen hat, hat er mich angerufen, und wollte, dass ich auch seine Geschichte schreibe. Er ist dann aber 2020 gestorben. Es ist noch nicht erschienen, aber überfällig, denn auch er war ein guter Typ und Bandleader.
LH: In Zeiten der EM kann ich Sie ja auch mal fragen, ob sie Fußball interessiert und wenn ja, für wen sie überhaupt sind.
JD: Ich glaube, ich bin der einzige Musiker, den ich kenne, der komplett sportfrei ist. Ich bin Engländer, wohne in Südfrankreich und habe viele Freunde in Deutschland. Da ich meine Mum, Kinder und Enkel in England habe, bin und bleibe ich aber Engländer und würde ihnen die Daumen drücken.
LH: Ok., dann mal wieder weg vom Fußball: Kann man denn beim Konzert in Kellinghsuen auch eine CD von Ihnen kaufen?
JD: Ich habe auf jeden Fall eine Auswahl dabei, auch die zwei ‘Best Of’ Box-Sets. Vielleicht gibt es dann auch schon die neue CD. Aber nur, wenn die Produktion es bis dahin schafft.
LH: Herr Dawson, ich danke Ihnen für das Gespräch.
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Fragen: Ludger Hinz
Foto: PEP-Kulturverein