review – Guitavio und Drones & Bellows

Kellinghusen – Auch nicht schlecht: Mal wieder ein Konzert mit Lokalkolorit bei „PEP“, dachte ich, als dieser Konzertabend angekündigt wurde. Dass eine Kellinghusener Band musikalische Akzente setzen kann, bewies nun dieses November-Konzert in der Ulmenhofschule.

Die Folk-Rock-Formation „Guitavio“ (Kellinghusen) und die dänische Scottish Folk-Band „Drones & Bellows“ (zu Deutsch etwa „Basspfeife und Gebläse“ oder auch „Brummen und Dröhnen“) haben darüber hinaus auch eine eigene gemeinsame Geschichte aufzuweisen.

Denn sie verbindet seit vielen Jahren eine Freundschaft, die 2004 mit einer gemeinsamen Tour durch Norddeutschland ihren Anfang nahm. Nun 2024, 20 Jahre später, kam es zu einem erneuten Treffen an gleicher Stelle. Das hat ja nicht nur musikalischen, sondern ganz stark auch melancholischen Wert. Und jeder Zuhörer kann das Konzert nicht nur losgelöst davon betrachten. Wer sie damals schon gesehen hatte, konnte auch die Entwicklung beider live nachvollziehen.

Denn beide Bands können auf ihre eigene, teils wechselvolle Geschichte zurück blicken. 1987 aus einem Duo hervor gegangen das sich instrumental aus Gitarre und Violine zusammensetzte, lag der Bandname „Guitavio“ als eine Zusammenziehung von „Gitarre“ (englisch „guitar“) und Violine („violin“) ja irgendwie nahe. Das viele verwirrende ,U‘ in der Gitarre sehe „einfach interessanter aus“, begründet Bandgründer und Gitarrist Erk Böteführ die Schreibweise, die sich bis heute eingeprägt hat und bei vielen erst einmal Fragezeichen hervor ruft.

Sie haben sich in den ersten Jahren im Irish oder Scotish Folk eine große Fangemeinde mit vielen ausverkauften Konzerten erspielt, manchmal vor mehr als 1000 Zuschauern. Viel Mut bewies die Band dann, als es kam, wie es kommen musste.: Seitdem sie sich 1994 mehr auf Eigenkompositionen konzentrierte – ein Schritt, der für die musikalische Kreativität unausweichlich ist –, wandten sich die alten Folkfans von der Band ab, und es folgte eine Zeit der Unsicherheit und vieler Besetzungswechsel.

Aber die Band hat sich konsolidiert, kann heute auf verlässliche Bandmitglider bauen. Und entwickelte in den 2000ern ihr Etikett und Markenzeichen, ihren eigenen Stil, den sie „Acoustic Folk’n Soul“ nennt. Auch die nächste Generation ist schon einbezogen. Seit 2022 wirkt auch Julian Böteführ, Sohn von Erk Böteführ, bei manchen Konzerten als Bassist mit.

Nun kommen die Fans wieder – nicht in so großer Zahl wie vorher, aber die Ulmenhofschule war auch jetzt wieder gut besucht, vielleicht auch wegen des Ankündigngsartikels in zwei Lokalzeitungen, wie der Vorsitzende Oliver Zantow vermutet. Auch von „PEP“ wurde „Guitavio“ über die Jahre wohlwollend begleitet.

So gestalteten die beiden Bands gemeinsam das Nostalgiekonzert, und deutlich über 100 Besucher versammelten sich in dem gut gefüllten Saal, darunter auch viele Auswärtige, wie sich Oliver Zantow freute. „An der Abendkasse sind auch noch eingie Hiesige hinzu gekommen. Über die Mischung sind wir sehr glücklich“, so Oliver Zantow.

Die fünf Bandmitglieder der „Drones & Bellows“ hingegen stammen aus Deutschland, Dänemark und Schottland, und ihre Musik ist unverkennbar von der schottischen Tradition inspiriert. Halvor Bogh, Jörgen Ehlers, Anker Hintze, Pamela Naylor und Thomas Wieder kreieren mit einer Vielzahl von Instrumenten und Chorgesang wechselnde Klangbilder, was zu einer großen Vielfältigkeit ihres Vortrags führt.

Mit der dänischen Band „Drones & Bellows“, die im Stile des traditionellen irisch-schottischen Folks unterwegs ist, verbindet „Guitavio“ eine 20-jährige Freundschaft.
Foto: Andrea Husmans

Und das war Einsatz: Noch einen Tag vorher haben die „Drones & Bellows“ in Apenrade in Dänemark gespielt. Und da sie gerade so eingespielt waren, eröffneten sie nun gleich eineinviertel Stunden lang den Abend, gefolgt von einem einstündigen Auftritt von „Guitavio“. Zum gelungenen Abschluss spielten beide noch zusammen ein kleines Set.

Zu bemerken war hier, dass „Drones & Bellows“ mit ihrer irisch-schottischen Folkmusic stilistisch klangen wie „Guitavio“ früher. „So hatten wir beide Anknüpfungspunkte aneinander“, so Erk Böteführ. Nicht vergessen werden darf, dass „Drones & Bellows“ nicht irgendwer sind, waren sie früher doch einmal die Begleitband des schottischen „Godfather of Folk“ Brian McNeill, des Gründers der „Battlefield Band“, der noch heute ihre CDs produziert.

Die Mehrzahl ihrer Songs sind Traditionals, sie haben aber auch viele junge Songs an neuen Themen orientiert, aber in traditioneller Form gespielt. Teilweise haben sie auch umgekehrt Melodien traditioneller Songs mit neuen Texten versehen. Kurzum: Sie gaben sich hier sehr spielfreudig.

Nach dem dänisch-schottisch-irischen Einstiegskonzert war aber zunächst „Guitavio“ als Hauptact ein Stunde lang an der Reihe. Da haben sie nicht nur Songs von ihrer jüngsten CD intoniert, sondern auch früheres Material mit folkigem Charakter, das sie sonst nicht so sehr oft spielen. „Damit konnten wir gut andocken an den Stil, den ,Drones & Bellows‘ vorgegeben haben“, sagte Erk Böteführ. In ihrem Repertoire hat „Guitavio“ mit „Three Decades“ als Opener und dem tagesaktuellen Stück „Brother Oh, Brother“, auch zwei ganz neue Titel im Gepäck gehabt.

„Guitavio“ mit Sängerin Coretta von Behr (Mitte) und „Drones & Bellows“ gemeinsam auf der „PEP“-Bühne in Kellinghusen.
Foto: Christoph Padel

Letzterer schildert die Flüchtlingsproblematik am Einzelbeispiel. „Zu anonymen Fluchtbewegungen hat man kaum Zugang, hier beschreiben wir aber eine bestimmte Person aus einer unbestimmten Gegend der Welt, die vertrieben wurde, die Hunger leidet, die sich in eine neue Umwelt einfinden muss und eine neue Kultur kennen lernt und bei uns um Hilfe bittet“, beschreibt Erk Böteführ den eingängigen Song.

Die meisten ihrer gespielten Titel stammten von ihrer CD „Crossing the Ocean“ deren Titeltrack seit Jahren ihr Opener ist, das – wie man hört – auch das Lieblingsstück der Band selber ist. Der Titel „Sweeter than wine“ sei hingegen Sängerin Corettas erklärtes Favoritenstück. Aus dem Publikum war zu bemerken, dass die Stimmung gelöst und erwartungsfroh war, ein Eindruck, den auch Erk Böteführ von der Bühne aus gewann.

Die Kellinghusener Band „Guitavio“ trat nach ihrer mittlerweile 20-jährigen, wechselvollen Geschichte in der Ulmenhofschule mit ihrem aktuellen Programm, einer Mischung aus älteren und neueren Songs, auf, die allesamt Eigenkompositionen sind.
Foto: Andrea Husmans

Im Vergleich zu den traditionellen „Drones & Bellows“ waren sie eher auf der popmusikalischen Schiene unterwegs, nur mit folkigerem Touch. Aber auch der Titel „I am who I am“, eher ein Ausflug in den Folk-Blues, kam gut an.

Zum Schluss des Konzerts, nach mehr als zweieinviertel Stunden Musik, haben die beiden Bands dann noch vier Stücke gemeinsam gespielt, je zwei von jeder Band. Mit satten 32 verschiedenen Instrumenten wurde es dann auf der Bühne etwas eng für die zehn Musikerinnen und Musiker, die da in der gemeinsamen Abschluss-Session beider Bands nebeneinander ihren Platz suchten.

Das I-Tüpfelchen ganz zum Schluss: Nach den Einzelkonzerten standen beide Bands noch einmal gemeinsam für vier Songs auf der Bühne, wobei es mit 34 Instrumenten und zehn Musikern ganz schön eng wurde.

Dass „der gesamte Konzertabend von vorherein aber schon super losgegangen war“, wie Erk Böteführ sagte, hätten sie auch ihrem Tontechniker Tim Petersen von „Drones & Bellows“ zu verdanken, der „einen unfassbar guten Job gemacht hat“, wie der „Guitavio“-Gitarrist lobte. „Er kam aus dem Stand mit allem klar und wir dann auf der Bühne umso besser zurecht.“

Ludger Hinz