Kellinghusen – Mal wieder die alte Tradition der Singer/Songwriter aufrecht erhalten, dachte ich, als der irische Sänger Kieran Goss mit seiner Frau Annie Kinsella bei „PEP“ angekündigt wurden. Überraschend gut gefüllt war dann auch der Saal an diesem Abend beim Blick in die Runde – erstaunlich dafür, dass es ein Freitag war und gleichzeitig ein Fußballspiel der deutschen Nationalmannschft viele Fans wohl eher vor den Fernseher lockte. Die Ankündigung in der Lokalzeitung beschränkte sich auch nur auf 20 Zeilen einer Meldungsspalte ohne Foto.
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Aber das irische Duo scheint in Kellinghusen und Umgebung eine doch größere Fangemeinde zu haben, als angenommen. Jedenfalls war der Saal gut gefüllt, die Sitzplätze alle besetzt und auch noch einige Stehplätze drumherum frequentiert. Manche Zuhörer saßen sogar wieder auf den Treppen und den Umgängen.
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Hier gab das Duo von der grünen Insel Songs, Geschichten und Harmonien aus Irland zum Besten. Auf der Bühne überwiegend in einem stimmungsvollen Rot-Ton beleuchtet, begleitgete sich Kieran Goss auf der Gitarre, während Annie Kinsella ihre Stimme zum glockenklaren Gesang erhob.
Neben den sanften Songs, aus denen er stellenweise auch mal etwas lauter ausbrach, erzählte der Sänger in seinen Liedern von den Launen des Lebens, von Begebenheiten und Einsichten und manchmal auch von ganz normalen Alltagsdingen in leisen Titeln zu sanfter Begleitung seiner Akustikgitarre.
So berichtete Kieran Goss von ihrem Hund „Bluebell“, zu Deutsch „Glockenblume“, den sie vor zehn Jahren „gerettet haben“, eine Collie-Spaniel-Mischung. „Er liebte Spazierengehen. Besonders in der Coronazeit haben wir das zwei Mal am Tag ausgiebig gemacht, für ihn war das wie das Paradies.“ Über ihn hat Goss beim Spazierengehen das Lied „Beautiful Bluebell – you and me“ geschrieben. Und für das Publikum in der Ulmenhofschule nun gespielt und gesungen.
In so mancher Anekdote ließ er die Zuhörer auch an den Launen seiner Musikerkarriere teilhaben, als der Sänger in den Ansagen zwischen seinen Songs in ziemlich gutem Deutsch einmal so ins Plaudern kam. Dabei berichtete er etwa von einer nicht ernst gemeinten, aber doch kleinen Fern-Rivalität zur US-amerikansiche Sängerin Celine Dion. „Ich habe zwar für diesen oder jenen andern Musiker schon einmal erfolgreich Chart-Songs geschrieben, die hier und da auch schon auf Nummer 1 gelandet waren – nur ich selber hatte noch keinen eigenen Nummer1-Hit gelandet“, wie er etwas enttäuscht zum Besten gab.
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Doch es gab Hoffnung. „Einmal, da hatte ich gerade mein neues Album heraus gebracht, auf dem mit „Out of my head“ ein Titel mit ziemlichem Hit-Potenzial enthalten war“, fuhr er fort. Und siehe da: Er landete in der ersten Woche auf Platz 3 und in der zweiten Woche auf Platz 2. Meist ein ziemlich sicheres Zeichen, dass es in der folgenden Woche die Nummer 1 wird. „Nur in jenem Jahr nicht“, wurde seiner Hoffnung auch hier ein Dämpfer versetzt. „Da war es wieder die Nummer 2. Denn da kam der neue Hit von Celine Dion, das Titellied des „Titanic“-Films heraus“, schilderte er, noch immer traurig. „Und das landete sofort auf Platz 1.“
Nachdem der Song nach einiger Zeit vom 1. Platz wieder abrutschte, war seine Zeit gekommen, und endlich landete seine Single auf dem begehrten Spitzenplatz. Der von ihm selbst im Publikum initiierte und befeuerte Jubel war ihm gewiss.
Aber neben seinen eigenen spielten sie auch einige in ihr Repertoire passende Coversongs wie etwa „Come back Liza“ von Harry Belafonte, „Feelin Groovie“ von Paul Simon (im Original gesungen von „Simon & Garfunkel“) wie gewohnt im eigenen sanftmütigen Stil arrangiert. Das Publikum ließ er zwischendurch auch mitsingen und vergaß hinterher auch nicht, sich artig dafür zu bedanken: „Danke, Sie haben ganz toll gesungen!“
In seinen Ansagen erhalten die Zuhörer auch immer einen kleinen Grundkurs in irischer National- und Sozialgeschichte. So gab Goss auch hier zum Besten, dass er das 10. von 15 Kindern war, was seine Mutter Josi immer stolz mit „Kein Zwilling dabei!“ kommentierte. „Ich kannte aber auch andere mit 19 und 23 Kindern.“
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Fehlen durfte da auch der Song „Reasons to Leave“ nicht, der sich mit Migration beschäftigte, und zwar der Migration aus Irland in die Welt. Denn wegen des Kinderreichtums und der schwierigen Versorgungslage sowie der Arbeitslosigkeit mussten viele Irland verlassen. „So habe ich eine Schwester in Toronto, einen Bruder in New York, einen anderen in Singapur. Wir waren selber auch schon in Nashville. Und ich kann mich in jeden Migranten hinein versetzten“, sagte er.
Außerdem wies er obligatorisch noch darauf hin: „Wir verkaufen einige CDs: aktuelle und ältere CDs und Platten, aber unsere – nicht die von Celine Dion!“ nahm er den eingangs eingeleiteten Running Gag wieder auf.
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Schließich konnte der Sänger nach drei Zugaben nur wieder zu dem Schluss kommen: „Es war uns wie immer eine Freude“ und ankündigen: „In zwei Jahren kommen wir vielleicht mit neuer Platte wieder. Und Sie kommen auch wieder und bringen alle noch zehn Leute mit!“
Ludger Hinz