Kellinghusen – Ohh, Plattdütsch – wat een Sprok! Kann man dat eeten? Ok., das muss ich ja zugeben: Mit dem Niedereutschen hatte ich bisher wenig aktive Berührung. Sprechen kann ich es nicht, verstehen schon eher. Ich war aber trotzdem immer fasziniert von Theaterstücken auf Plattdeutsch, weil ich mir da vorkam, als wenn ich mich in einer anderen Sprache befinden würde. Ich freute mich, wenn ich nach wenigen Minuten schon fast nicht mehr bemerkte, dass es nicht Hochdeutsch ist, was da gesprochen wird, und ich als Zuhörer immerhin voll in dem Gesagten aufging.
Theateraufführungen aus dem Hamburger Ohnsorg-Theater standen früher jeden Samstagabend auf dem Terminplan meiner Oma, und da habe ich oft ganz fasziniert mitgeguckt. Immerhin wird das Niederdeutsche seit 1999 (in der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen) als eigenständige Sprache anerkannt und ist somit streng genommen auch eine Fremdsprache. Da erhält der Spruch „Wi snackt platt“ doch gleich eine ganz neue Bedeutung: Hurra, ich verstehe außer Deutsch, Englisch und Latein auch noch eine vierte Sprache!
So durfte man gespannt sein auf den Auftritt der drei Plattdeutschen Troubadoure, die „PEP“ in seinem jüngsten Programm vorstellte. Nach viel Musik mit Rock, Folk und Blues gab es nun einmal wieder etwas Textlastiges mit ein bisschen Musik obendrauf bei „PEP“.
Die drei musikalisch-humoristischen Koryphäen Gerd Spiekermann (NDR-Moderator, Buchautor), Jochen Wiegandt (NDR-Moderator, Entertainer mit Gitarre und Gesang) und Lars-Luis Linek (NDR-Band an Mundharmonika und Gesang) schnürten in der Ulmenhofschule „Dat Plattpaket“. Ihr Programm aus Musik, Döntjes und plattdeutschem Humor präsentierten sie unter dem Motto „Kuddelmuddel? Wi packt ut!“ Na, mal sehen, was bei dem ganzen Ein- und Ausgepacke wohl zum Vorschein kommt…
Eine Ankündigung in der Zeitung verschaffte dem Abend sehr zur Freude des „PEP“-Vorsitzenden Oliver Zantow nach zunächst schleppendem Vorverkauf noch einmal einen Besucherschub, so dass der Saal letztlich tgut ausgelastet war.
Freute sich, mit dem „Plattpaket“ alte und neue Bekannte in Kellinghusen begrüßen zu dürfen: der „PEP“-Vorsitzende Oliver Zantow.
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Da der Vorsitzende selber an diesem Abend nicht für eine Ansage zur Verfügung stand, fand er würdigen Ersatz und hat Elke Altstadt-Westphal dafür gewonnen. Sie ist sonst als Künstlerin unterwegs und tritt öffentlich auf. Sie spielt Instrumente, singt – und vor allem: Sie spricht Plattdeutsch! So hat sie zur Einstimmung auf die drei Protagonisten eine Begrüßung und eine sympathisch launige plattdeutsche Ansage gemacht, die publikumswirksam die Zuhörer begeisterte. Nun musste dem nur noch das Hauptprogramm folgen.
Tatsächlich wurde die Veranstaltung zu einem Wiedersehen mit ganz alten Weggefährten – im wahrsten Wortsinn; denn alle drei sind mittlerweile weit jenseits der 60, wenn nicht sogar schon über 70 Jahre alt. Da das Hervorgebrachte am besten von jedem Einzelnen selber wirkt, standen sie zunächst nacheinander auf der Bühne.
Jochen Wiegandt (77) etwa war zuletzt vor über 30 Jahren bei „PEP“ – im Garten des schon lange nicht mehr existierenden Hotels „Altdeutsches Haus“ hat er damals seine Liedersammlung vorgestellt, wie sich Oliver Zantow erinnert. Seitdem haben sich die Wege allerdings nicht mehr gekreuzt.
Hier brachte der Musiker und Texter seine Lieder und Geschichten von der Waterkant und den sieben Meeren als humorvolle Mischung aus Lied und Text zu Gehör. Jochen Wiegandt erzählte zu seinen plattdeutschen Liedern viele interessante Geschichten und gab auch hie und da einige Hintergründe, vor allem für seine alten Sachen, bekannt und schilderte humorvoll, wie sie entstanden sind.
Da waren auch seine Wurzeln unter anderem als Autor und Ur-„Liederjan“, Volkssänger und „wandelndes Liederlexikon“ zu spüren, wie er zuweilen genannt wird. So erzählte er in seinen Liedern engagiert und inhaltsreich vom Leben am Meer, von maritimen Geschehnissen und Ereignissen, in denen sich mindestens jeder Küstenbewohner wieder finden kann.
Noch nicht ganz so lange her, dass er in Kellinghusen war, ist es bei Lars-Luis Linek (68), der schon mehrmals bei „PEP“ auftrat und immer die Harp gespielt hat. Nun erweiterte sich sein Auftritt bis hin zum Blues op Platt, als er seine neue CD „Tass Tee“ vorstellte, auch diese immer mit einigen Anekdoten und Geschichten verbunden. Da kamen schon ein paar Döntjes zusammen, die in seinem Ostfriesentee-Blues („Oostfreesentee“) kulminierten, untermalt mit dem „Snutenhobel“, der Mundharmonika. Na, denn: „Prost!“, hätte ich fast gesagt.
Zwischen den beiden gab es dann noch eine Premiere: Denn nur Gerd Spiekermann (72) war bislang noch nicht bei „PEP“ zu Gast, und auch er machte seinem Ruf alle Ehre. Wie das seine Art ist, erzählte er frei redend, ganz entspannt wirkend, spannende und lustige Geschichten von früher, meist aus dem Alltag. Da waren im wahrsten Sinne drei „Altmeister“ am Werk.
Nach der Pause dann das Gleiche noch einmal. In einer Zugabe gaben sie dann zum Schluss noch ein gemeinsames Lied zum Besten. In endlosen Zeilen Reime und Zusammensetzungen aus Namen und Wörtern zu konstruieren und damit neue Reime zu bilden, ist Geschmackssache und wohl zu einem gewissen Teil dem Blödelimage in der „Liederjahn“-Tradition geschuldet. Dem Publikum gefiel’s zumindest, und so ernteten die drei Plattschnacker dafür letztlich großen Applaus. Auf diese Weise wurde es dann doch noch ein zum Ende hin recht locker geschnürtes Plattpaket.
Wurde in Kellinghusen plakatiert: Nach Big Daddy Wilson mit Blues (links) kam „Dat Plattpaket“ mit drei Meistern in die Ulmenhofschule.
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Mit dem Auftritt war ihr Gaststpiel aber noch nicht zu Ende, denn auch hinterher zeigten sie sich sehr sympathisch beim Zusammensein mit der „PEP“-Crew. Bei Garderobe, beim Essen und bei Unterhaltungen waren sie sehr umgänglich, kamen schnell ins Gespräch. Im Gästebuch haben sie sich dann auch noch intensiv bedankt. Da fällt mir als Fazit nur noch das ein, was ich neulich in einer Kneipe im ländlichen Raum so sinngemäß gehört habe. Und das ging in etwa so: „Mann, wenn de Welt doch mal Platt snacken wü. Dann giff dat keen Krieg, keen Stress, un keen Diät – blots een goode, ole Stück Speck un’n Jever op’n Disch!“
Ludger Hinz
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