Kellinghusen – Aus stimmungsbezogener Perspektive kann diese Musik ja nur für gut befunden werden: mit Instrumenten, die Spaß machen und gute Laune versprühen, brauchen die Musiker gar nicht übers Limit hinaus zu gehen – die Stimmung kommt schon durch die Klangkörper der Instrumente von ganz allein.
Und so besann sich der Kulturverein „PEP“ an diesem Abend einmal wieder auf seine Wurzeln, wollte er doch ursprünglich nicht nur der Rockmusik und dem Blues (Bluesrock), sondern auch der Folk Music – sei sie Irish oder Scottish Folk – eine Bühne geben. Und das nicht nur den traditionellen, sondern auch den modernen Interpreten – mit denen vor allem.
Apropos moderne Interpreten: Diese standen an diesem Abend im Mittelpunkt, und zwar nicht nur irgendwelche, sondern ganz besondere, nämlich junge schottische Musiker, die auf ihrem musikalischen Weg schon einige Lorbeeren einheimsen konnten, die ihre musikalische Karriere zumindest mit Blick auf ihre potentielle Lebenszeit aber wohl noch vor sich haben.
Schottische Musiker mit dem Schalk im Nacken (v.l.) mit Toby Shaer (Gitarrist und Whistle), Robbie Greig (Geige), Michael Biggins (Piano und Akkordeon) und Jack Badcock (Gesang und Gitarre) fühlten sich auch Backstage ziemlich wohl.
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So standen unter dem Titel „Young Scots“ vier junge Musiker, die im Rahmen der „Young Scots Trad Awards Winner Tour“ bereits Preise eingeheimst haben, auf der Bühne in der Ulmenhofschule. Aufgrund mangelnder Ankündigung in der örtlichen Lokalzeitung stand vorher noch die große Frage im Raum, wie viele Besucher es an diesem Abend wohl in den Saal schaffen würden, und die trieb den Organisatoren zumindest kurzzeitig den Schweiß auf die Stirn.
Aber der Vorverkauf – vor allem aus dem Internet befeuert – sah schon ganz gut aus, und auch an der Abendkasse wurde der Kulturverein noch einmal einen ganzen Schwung an Tickets los, und so konnte ein recht veritabler Besuch festgestellt werden, was die Veranstalter dann wieder etwas positiver stimmte. Diese legten sich wieder ordentlich ins Zeug, bewirteten Band und Zuhörer mit den üblichen Leckereien an Buffet und Tresen und taten auch sonst alles Nötige, damit sich alle wohl fühlten.
Damit die Zuhörer den Sinn der Übung verstanden, erläuterte Managerin Petra Eisenburger zu Beginn auf der Bühne das Prozedere: An diesem Abend standen Preisträger und Finalisten renommierter schottischer Musikwettbewerbe auf der Bühne, die sich derzeit auf einer Tour durch Dänemark, Deutschland, Österreich und die Schweiz befanden.
Die bereits seit 2018 alljährlich stattfindende „Young Scots Trad Awards Winner Tour“ bringt so immer wieder neue Musiker hervor und auf diese Weise werden jährlich andere, wechselnde Interpreten ins Rennen geschickt. So gesehen handelte es sich um ein Konzert, das der Zuschauer in dieser Konstellation wohl nicht so schnell wieder sehen wird.
In diesem Jahr traten hier die Musiker Michael Biggins an Piano und Akkordeon, Jack Badcock mit Gesang und Gitarre und Robbie Greig an der Geige in Begleitung des Gitarristen und Whistle-Virtuosen Toby Shaer auf. Eine illustre Runde.
Schon die visuelle Umsetzung mit einem riesigen, rot beleuchteten Plakat auf der Bühne verlieh dem Konzert die Schwere seiner Bedeutung. Als gute Idee erwies es sich, dass die Musiker erst einzeln nacheinander und dann im zweiten Teil als Band auf die Bühne kamen. So erhielt der geneigte Zuhörer nicht nur einen Eindruck von ihnen als Solokünstler, sondern konnte auch ihre Fähigkeiten als Teil einer Band in Augen- und Ohrenschein nehmen.
Dass es vor allem in der englischsprachigen Folkszene viele Querverbindungen gibt und alles mit allem irgendwie zusammen hängt, zeigte sich auch hier. Denn der Fiddle-Spieler in dem Quartett, Robbie Greig – hier mit gesetzt schwarzem T-Shirt auf der Bühne – hat schon mit „Malinky“ gespielt, die ihrerseits 2004 bei „PEP“ waren und 2020 ihr 20-jähriges Bestehen feierten.
Gitarrist und Whistle(Flöten-)spieler Toby Shaer hat schon mit John McCusker und Mike McGoldrick gespielt, die „PEP“ wiederum im September vergangenen Jahres mit einem Konzert beehrten. Letztlich läuteten alle vier zusammen mit einem dynamischen und abwechslungsreichen Programm aus traditionellen Melodien und Songs den schottischen Folk-Frühling ein.
Dass Musiker von der Insel generell einen Schalk im Nacken mit sich herum tragen, zeigte sich auch hier. Mit seinen Ansagen sorgte Fiddle-Spieler Robbie Greig für kollektive Erheiterung, konnte er seine Einlassungen als Sohn einer deutschen Mutter doch in (fast) fehlerfreiem Deutsch machen – wenn ihm auch hier und da einige Vokabeln fehlten und Mitmusiker wie Jack Badcock das kommentierte: „Ich habe kein Wort von dem verstanden, was er gesagt hat.“ Eigentlich könnten sie alle mit ihrem trockenen Humor auch als Comedians auftreten…
Robbie Greig spielte an der Geige zu Toby Shaers Gitarrenbegleitung Traditionals von der Ost- bis zur Westküste Schottlands und präsentierte Werke des Komponisten James Scott sowie Tunes aus Edinburgh, nicht ohne den Hinweis: „Wem unsere Musik gefällt – wir haben da einen Merchandise-Stand mit CDs, denn das nächste Weihnachten kommt bestimmt.“
Sänger und Singer/Songwriter Jack Badcock intonierte sozialkritische Texte, unter anderem Vertonungen von Robert Burns wie die Ballade „Now Westlin‘ Winds“ oder den Song „The Ghost of Leland Birch“. Da sei ihm ein Familientreffen mit 40 Personen zugute gekommen, darunter auch ein Dichter, mit dem er sich künstlerisch zusammen tat und der die Texte zu seinen Vertonungen lieferte.
„Young Scots“ to go: Auf einem T-Shirt konnte der geneigte Fan die Musiker des Abends mit nach Hause nehmen und von da an auf der Brust tragen.
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Michael Biggins in gesetztem schwarzen Oberhemd intonierte einige schottische Jigs auf dem Piano. Den Song „She’s sweetest when she’s naked“ mussten sie allerdings erklären, handelte der doch nicht etwa von nackten Frauen, wie manche sich vielleicht wünschten, sondern beschrieb den Zustand des höchsten Whiskygenusses: den man nämlich nur erreiche, wenn man ihn pur („naked“) konsumiere. Einer toppte das mit der Aufforderung: „Wenn Ihnen unsere Musik nicht gefallen hat, dann kaufen Sie eine CD für jemanden, den Sie hassen!“
Die Musiker selber gaben sich wie alle anderen auch vom Ambiente angetan. „Wir werden gut behandelt und fühlen uns sehr willkommen“, sagte etwa Jack Badcock im Backstagebereich. „Es ist ein freundliches Publikum, das eine schöne Energie herüber bringt“, meinte auch Robbie Greig. Auch wenn es im Vergleich zu anderen ihrer Konzerte ein eher kleiner Saal sei, immerhin: „Wir fühlen uns musikalisch gut verstanden.“
Ihre volle Wirkungsmacht erzielten die Musiker dann im zweiten Teil, als sie gemeinsam einige Traditionals sowie schottische Tänze wie Reels und Jigs zum Besten gaben. Da befolgten die Zuhörer ganz langsam und zaghaft dann auch den Wunsch der Band, sich von den Plätzen zu erheben und zu den schottischen Tänzen – zu tanzen. Revolutionär!
Interessant aus jeder Perspektive: Das Konzert der „Young Scots“ rief zahlreiche Besitzer eines Handys auf den Plan.
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Etwas irritiert waren die Musiker dann schließlich doch noch, als sie ihren vermeintlich letzten Song gespielt und die Bühne bereits verlassen hatten. Auf Standing Ovations und anhaltend rhythmisches Klatschen der Zuhörer schienen die vier Virtuosen ihrerseits nicht vorbereitet zu sein.
Jedenfalls kamen sie zunächst nicht auf die Bühne zurück. Erst als die ersten im Publikum sich nach minutenlangem Applaus dazu entschieden, schon zu gehen, stürmte die Managerin in ihren Backstageraum und animierte die Musiker dazu, doch noch ein weiteres Stück hinzuzugeben.
Als sie dann wieder auf der Bühne standen und etwas irritiert ihre Musikinstrumente aufnahmen, entwischte es einem von ihnen, etwas kleinlaut zu konstatieren: „Wir haben doch überhaupt keinen Song mehr!“ Schließlich fanden sie aber doch noch einen, den sie zum Besten geben und die Besucher damit in die windige spätwinterliche Nacht entlassen konnten.
(lh)
Titelbild:
„Young Scots“ in der Ulmenhofschule (v.l.): Managerin Petra Eisenburger, Jack Badcock mit Gesang und Gitarre, Michael Biggins an Piano und Akkordeon, Gitarrist und Whistle-Virtuose Toby Shaer und Robbie Greig an der Geige.
Fotos: Ludger Hinz