Karten mussten vorher per e-Mail vorbestellt werden, am Eingang wartete noch eine „Desinfektionsstation“, die Gäste mussten Abstand voneinander halten, und der Besuch war auf 100 Zuhörer beschränkt – noch in Coronazeiten musste sich die Kellinghusener Folkband „Guitavio“ mit den pandemiebedingten Gegebenheiten arrangieren, genauso wie’s Publikum.
Dennoch herrschte bei den Gästen eine Art großer innerer Euphorie und etwas kleinerer äußerer Spannung. Denn Anfang April hatten die Lokalmatadoren aus der Störstadt das – zweifelhafte – Vergnüngen, das neue Konzertjahr mit ihrem Auftritt zu eröffnen.
Ein Konzert im Innenraum der Ulmenhofschule hatte es seit mehr als einem halben Jahr nicht mehr gegeben. Konnte das gut gehen? Der mit Sitzplätzen und etwa 80 Besuchern ziemlich gut gefüllte Raum sprach zumindest dafür. Und manche hatten da gar keine Bedenken mehr.
Acht Jahre ist es her, dass „Guitavio“ (gesprochen: „Gitavio“) zuletzt bei „PEP“ live zu hören war – nun stand die Kellinghusener Band im Jahr ihres mittlerweile 35-jährigen Bestehens mit ihrer brandneuen CD im Gepäck wieder auf der Bühne; ein für manche feierlicher Moment, den „PEP“-Organisator Rainer Werdt mit entsprechendem Körpereinsatz zu Beginn auf der Bühne gestenreich ankündigte.
Während der Veranstaltung musste nun von keinem mehr eine Maske getragen werden, einige taten das aber doch noch, so dass jeder Fan auf seine Weise den Konzertgenuss erleben konnte.
Ihren ursprünglich „Acoustic Folk`n Soul“ genannten Stil hatte die Band seit ihren jüngsten Konzerten und ihrer letzten CD vor zehn Jahren inzwischen weiter entwickelt. So überraschte sie mit den Songs ihres neuen Albums „Lark & Nightingale“ („Lerche und Nachtigall“; 2022), der bereits neunten Produktion der Band, mit einem neuen Sound zwischen Folk, Pop und Rhythm‘n Blues, der aber den ursprünglichen Folk-Kern nicht verschwieg.
Auf ihrer neuen Scheibe ist die Formation in ihren spielerischen und kompositorischen Mitteln näher an die Popmusik herangerückt, wie es Bandleader und Akustik-Gitarrist Erk Böteführ schon vorher angekündigt hatte. Er ist das einzig verbliebene Gründungsmitglied und hatte wie gewohnt Kompositionen als auch Texte geschrieben und arrangiert.
So entfaltete „Guitavio“ ein musikalisches Programm, „das Bein und Herz gleichermaßen ansprach“, wie die Band es selbst ausdrückt, von lustig bis traurig, von temperamentvoll bis melancholisch.
Sängerin Coretta von Behr setze ihre kräftige Stimme ein und ließ diese sich nach und nach voll entfalten. Melodiös unterstützt wurde sie am Akkordeon von Hella Matzen-Lembcke. Für den passenden Rhythmus sorgte Ronald Kowalewski am Bass, und den Takt gab Markus Zell am Schlagzeug vor.
Kam der kleine Querschnitt durch das „Guitavio“-Repertoire mit den neuen Songs im ersten Teil gut beim Publikum an, so wurde es im zweiten nach der Pause nicht nur musikalisch, sondern auch ganz real voll auf der Bühne. Denn da holte sie zahlreiche Gastmusiker hinzu, die ihren Teil passend zum jeweiligen Song beisteuerten.
Je nach Instrument, das diese auch auf der CD spielen, kamen insgesamt sechs weitere Musiker zu akustischen oder gesanglichen Einlagen (oder beidem) auf die Bühne. So entstand eine Jam-Atmosphäre der ganz eigenen Art.
Ute Pauleit (Geige), ein ehemaliges „Guitavio“-Mitglied, und Meike Hansen aus Kiel (Cello) verfeinerten den Sound mit Streichinstrumenten. Ebenso lieferte Erks Sohn Julian Böteführ, der auf der CD den Bass zupfte, wenn Ronald Kowalewski die E-Gitarre gespielt hat, hier seinen Live-Beitrag ab.
Mit einem Solo überraschte Max Wichmann am Keyboard, ein 25-jähriger Pianist aus Flensburg, der Musik studiert und hier einen „dicken musikalischen Fußabdruck“ (Erk Böteführ) hinterlassen hat.
Auch lud „Guitavio“ die befreundete Gruppe „Liederjan“ ein, von der Jörg Armisch und Hanne Balzer zwei Stücke mitspielten, unter anderem auch „Die Nixe von Kellinghusen“ – ein erfundenes Schiff, auf dem sie abstruse Abenteuer erleben und das auf dem jüngten „Liederjan“-Album erschienen ist.
Mit allen Musikern gaben sie diverse Zugaben mit Songs aus älteren „Guitavio“-Zeiten. Den Cover-Song „The Lion sleeps tonight“ konnte dann auch das Publikum mitsingen. „Das haben wir gespielt, weil wir damit schon viel Spaß in der Probe hatten“, so Erk Böteführ. Auf diese Weise brachte „Guitavio“ zwölf der insgesamt 17 Lieder von der CD sowie einige ältere Songs auf die Bühne. So beendete die Band das stimmungsvolle Konzert mit dem Song „Spring is back“, der bei „spotify“ ganz oben rangiert, im Publikum mit einem lauten „Endlich!“ kommentiert – das sich aber nicht auf das Konzertende bezog. (lh)
Bilder: © Rainer Werdt